Document 58; Page 70

Aus transcribe europeana 1914-1918
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4 Wochen Monaten zum ersten Male wieder in einem Bett geschlafen. Kann aber garnicht sagen, daß ich so besonders gut geschlafen habe. Man ist es eben nicht gewöhnt. Oost((?)) haben die Flöhe ordentlich gebissen. Mich weniger. 9.8.17. Heute Ruhetag! Allerdings wollen wir noch weg, wenn sich Fahrgelegenheit trifft. Sind morgens durch das Städtchen gegangen. Ein trauriges Nest. Es war gerade Markttag. Haben etwas Obst gekauft u. Milch getrunken. Die Geschäfte haben, wie üblich, die Juden in Händen u. diese verlangen kolossale Preise. Nach langem Suchen erstanden wir ein Päckchen Tabak für 10 Kronen. Dann kehrten wir in unser Quartier zurück u. jetzt 3 [Uhr] ((?)) nachm. sitze ich an dem Diplomatenschreibtisch unseres Zimmers u. vervollständige mein Buch. _ _ _ 7:00 Uhr abends. Sitze auf einem Baumstamm während ich dieses schreibe. Sind mit einer österreichischen Kollone, die Munition nach vorne fährt bis hierhin gekommen. Eine Bummelei herrscht bei denen! Im Gegensatz zu den Deutschen sind dieses Privatleute. Die Kollonne der Flüchtlinge aus Ostpreußen waren ordnungsmäßiger als die österreichischen Kollonnen. _ Sind von Kutty ((?)) über Wyschnitz nach x.. ((?)) gekommen und haben hier das Staatszimmer mit den Saustall vertauscht. Ich glaube aber, wir werden auch hier ganz gut schlafen. Wollte jetzt zu Abend speisen u. zw. wieder das Nationalgericht: Kokorus ((?)) mit Moloka-Milch. Die Leute leben übrigens sehr primitiv. Sie essen morgens, mittags u. abends das bewußte Nationalgericht. Liegen zwischen Wanzen u. Flöhen, kennen keine Betten u. fühlen sich glücklich. Ich glaube die singen jeden Tag das schöne Lied: Was frag ich viel nach Geld u. Gut... Haben eben Abendbrot gegessen. Es ist sogar besser geworden, als ich dachte. Weiskäse mit Sahne u. Kokorus((?)). Hat großartig geschmeckt. Haben schon von den Karpathen Abschied genommen u. sind in der Bukowina drin allerdings noch am Fuße der Karpathen etwa 60 km von Charnowitz [= Czernowitz?]. Das Land ist hier eben. Im Hintergrund befindet sich ein Wald. Der Boden scheint hier ziemlich schwer zu sein; denn in der Nähe befindet sich eine Ziegelei u. im Hintergrunde ragt auch ein Schornstein hervor, der wohl auch zu einer Ziegelei gehört. _ So jetzt wird schlafen gegangen. Es ist 8 Uhr u. schon ganz dunkel.

10.8.17. Heute um 4 1/2 Uhr aufgestanden. Nachdem wir Milch getrunken und unser gekauftes österreichisches Weisbrot dazu gegessen hatten gingen

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wir zu unserem Wagen. Hier empfingen wir noch Kaffee und fuhren dann bald ab. Überall bezeichneten tote Pferde die Marschstraße. Den größten Teil des Weges gingen wir zu Fuß u. unterhielten uns mit den Führern der Kollonnen, einen österreichischen einjährigen Feldwebel. Dieser war von seiner sozialistischen idealen Idee so durchdrungen u. brachte so treffende Beispiele, daß ein Widerspruch ausgeschlossen ist. Zu Mittag aßen wir bei einem Deutschen, der uns sehr gut aufnahm. Das ganze Dorf war Deutsch. Ich glaube es hieß Nikolausdorf. Am Abend bezogen wir wieder Quartier bei einem Deutschen mit Namen Bauer. Er hatte eine schöne Besitzung u. nahm uns auch sehr gut auf. In solchem Hause fühlt man sich sehr wohl. Es ist da alles sauber u. freundlich u. vor allen Dingen fühlt man sich unter Landsleuten. Eingerichtet sind diese Wohnungen wie bei uns auf dem Lande. Am anderen Morgen 11.8.17. fuhr die Kollonne schon ab, als wir zu frühstücken anfingen. Wir holten sie aber bald ein u. langten um 10 Uhr vorm. in Strosewitz an. Hier sahen wir uns das Städtchen an, dessen Häuser auch sehr durch den Krieg geschädigt sind. In einem Kaffee, das noch in Betrieb war tranken wir 1 Glas Kaffee (polnische Mode) u. aßen 2 Stückchen Kuchen. Beide Sachen waren sehr gut. Wir bezahlen jeder 1,50 Kr. u. zogen von dannen zur Kollonne. Hier packten wir unsere Sachen u. machten uns auf die Socken nach dem nächsten Dorfe. Unterwegs brachte uns eine Polenfrau Brot u. Gurken zur Erfrischung. So etwas berührte einen sehr angenehm, da man sonst von der Bevölkerung nicht hervorragend aufgenommen wird. Dann traten wir einen Panjewagen, der aufs Feld fuhr u. uns aufnahm. Wir waren schon ein Ende gefahren, als uns ein Personenauto einholte, das vor unserem Wagen hielt. Und siehe da, es saß der von allen gefürchtete General v. Conta [= Richard von Conta?] drin. Ich erkannte ihn zuerst garnicht u. sprach ihn mit Herr General an, was er erst merkte, als Okst((?)) dieselbe Anrede gebrauchte. Darauf behauptete der gute Herr, daß wir eigentlich schon dafür 3 Tage verdient hätten. Er erkundigte sich dann nach dem woher u. wohin u. gab uns den guten Rat, so schnell als möglich zur Truppe zu machen, was wir auch selbstverständlich tun. Das letzte Stück unseres heutigen Weges legten wir zu Fuß zurück u. befinden uns z. Zt. in einem Zimmer eines